Neue Stolpersteine in der Prinzregentenstraße 84 erinnern an zwei ehemalige jüdische Schüler der Friedrich-Bergius-Schule. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler gestalteten die Verlegung der Steine für Werner und Rolf Melchiker mit und lernten dabei die aus Australien angereiste Tochter von Rolf Melchiker kennen.
Die Prinzregentenstraße 84 war die letzte Adresse von Werner und Rolf Melchiker, bevor sie das nationalsozialistische Deutschland verließen. Sie waren in behüteten Verhältnissen aufgewachsen und hatten das Maybach Realgymnasium besucht, die heutige Friedrich-Bergius-Schule. Werner Melchiker hatte die Schule mit 17 Jahren im Jahr 1928 verlassen, sein Bruder Rolf nach dem Bestehen des Abiturs zu Ostern 1932.
Nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurden die Brüder Melchiker rasch ihrer Zukunftschancen beraubt. Werner Melchiker flüchtete 1933 nach Paris, versuchte sich später in der Landwirtschaft, verliebte und verlobte sich, lebte ein Jahr in England und wurde bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als feindlicher Ausländer verhaftet. Nach einer kurzen Zeit in der französischen Fremdenlegion, die ihn nach Marokko führte, wurde er 1941 im Lager Vernet interniert und im September 1942 über das Durchgangslager Drancy bei Paris nach Auschwitz-Birkenau deportiert und vermutlich direkt nach der Ankunft am 6. September 1942 ermordet.
Rolf Melchiker flüchtete 1936 nach Südafrika und gründete nach vielen entbehrungsreichen Jahren eine Familie und bekam zwei Töchter. Diese stehen seit Ende 2013 in Kontakt mit dem Historiker Axel Huber aus Singen am Hohentwiel, der nun die Stolpersteinverlegung für Rolf und Werner Melchiker initiierte.
Rolf Melchikers Tochter Sandra Schuck erlebte mit ihrem Ehemann sehr emotionale Momente bei ihrem Besuch in Berlin. Erstmals betrat sie die Friedrich-Bergius-Schule, die Schule, die auch schon ihr Vater und ihr Onkel besucht hatten. Schulleiter Michael Rudolph, mehrere Lehrerinnen und Lehrer und eine Gruppe Schüler begrüßten die Australierin und führten sie durch die Schule.
Anschließend ging die Gruppe gemeinsam zur Prinzregentenstraße 84, wo Burk M. Kwasigroch die Gäste mit langsamer Klarinettenmusik empfing. Schüler des Lehrbauhofs begannen mit dem Verlegen der Stolpersteine, während Evelyn Krause-Kerruth von der Stolperstein-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf Familie Schuck begrüßte. Der französische Botschafter Philippe Étienne und Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann betonten in ihren Ansprachen die Notwendigkeit eines aktiven Erinnerns, um für die Zukunft zu lernen.
Der Chor der Friedrich-Bergius-Schule umrahmte die Feier mit gefühlvollen Liedern, Schülerinnen und Schüler sagten mehrere Gedichte auf. Zwei Schülerinnen trugen die Lebensgeschichte der Brüder Melchiker auf Deutsch vor, zwei Schüler auf Englisch. Nach einer Schweigeminute legen die Schülerinnen und Schüler Blumen nieder und ihnen folgten zum Abschluss der würdigen Stolpersteinverlegung viele andere Gäste im stillen Gedenken an das Schicksal der Familie Melchiker.