Mit strengen Regeln: von der Problemschule zum Erfolg 

An der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin herrscht Ordnung und strenge Disziplin. Schüler, die zu spät kommen, während des Unterrichts stören oder das Handyverbot verletzen, werden bestraft.

So hat Berlins strengster Schulleiter die Schule von einer ehemaligen Problemschule zu einer Musterschule gemacht.

Es ist 06:30 Uhr, als es an der Tür des Rektorenzimmers klopft.
Rektor Michael Rudolph in Krawatte, Anzug und gut geschnittenem Schnurrbart öffnet die Tür mit einem freundlichen Lächeln.
Draußen steht ein 13-Jähriger mit seiner Mütze in der Hand.
„Und warum bist du hier?“, fragt der Rektor.
„Weil ich mich schlecht benommen habe, und die anderen Schüler gestört habe“, sagt der Schüler, den wir hier „Ahmed” nennen.
Eine Woche lang muss Ahmed eine Stunde vor seinen Mitschülern zur Schule gehen, um den Schulhof zu putzen. Es ist die wahrnehmbare Konsequenz für Schüler, die mehrere Male zu spät kommen, während des Unterrichts stören oder das Handyverbot verletzten. 

„Es ist wichtig, dass die Konsequenzen so gestaltet sind, dass die anderen Schüler erkennen, dass es Konsequenzen für das Brechen der Regeln gibt“, sagt Michael Rudolph.
Lange Zeit galt die Schule in Berlin-Friedenau als eine sogenannte Brennpunktschule, mit Ruhestörungen und katastrophalen Schulergebnissen. Der schlechte Ruf führte dazu, dass die Plätze fast leer waren und die Schule kurz vor der Schließung stand.
Der 64-jährige Michael Rudolph hat sein Leben lang an sogenannten Problemschulen gearbeitet und viel erlebt. Gewalt und Drohungen, verprügelte Lehrer und Eltern, die sich nicht darum kümmern können oder wollen, wie es ihren Kindern geht. Das Erste, was er tat, als er vor vierzehn Jahren die Schule übernahm, war, feste Regeln und strenge Disziplin zu etablieren.
„Wir haben festgestellt, dass die Schüler zu schätzen wissen, was wir von ihnen erwarten, und sie wissen, dass wir Erwachsenen uns um Sie kümmern“, sagt Rudolph.

Bevor „Ahmed“ den Schulhof sauber macht, bekommt er die Frage, was er werden möchte, wenn er erwachsen ist.
„Bauleiter!“, antwortet er schnell.
„Glaubst du, du kannst den Chef beleidigen und deine Kollegen belästigen?“, fragt der Rektor. 
Der 13-Jährige schüttelt den Kopf.
Michael Rudolph sieht es als seine Aufgabe, die Schüler für das Leben nach der Schule vorzubereiten. Es geht nur durch eine Kombination von guter Ausbildung und strenger Erziehung. Ziel ist es, dass jeder Schüler ein akzeptierter Bürger wird, der in der Lage ist, auf seinen eigenen Beinen zu stehen.
„In der Erwachsenenwelt wird nicht akzeptiert, dass du deine Umgebung beleidigst und andere störst. Du kommst nicht zu spät und beleidigst nicht den Chef. Was später im Leben erwartet wird, sollte sich in dem reflektieren, was in der Schule gelernt wird“, sagt er.

Um 07:30 Uhr klingelt es zur ersten Stunde. Michael Rudolph steht am Eingang und begrüßt alle Schüler persönlich.
„Sie sehen, es ist nicht ein Einziger, der eine Mütze auf hat“, freut er sich.
Minuten später sind die Türen geschlossen. Nachzügler müssen klingeln und dürfen nicht verspätet in den Unterricht gehen, weil es die anderen Schüler stört, und derjenige, der dreimal zu spät kommt, muss den Schulhof am frühen Morgen reinigen. 
Das Rezept scheint gut zu funktionieren. 
Schwänzerei und Lärm gibt es fast nicht mehr, die Schulergebnisse sind viel besser geworden und mehr Schüler wollen die Schule besuchen als es Plätze gibt. Während des Unterrichts herrscht Fleiß.

Es ist Zeit für eine Sportstunde. Schüler der 9. Klasse stellen sich in einer geraden Linie an und müssen ihre Tasche mit Trainingskleidung zeigen, bevor sie die Umkleideräume betreten. Zwei Schüler dürfen nicht teilnehmen. Einer hat den Stundenplan nicht richtig gelesen und der andere hat die Tasche in der U-Bahn vergessen.

„Wichtig ist, dass die Regeln klar sind und wir nicht zu viele Ausnahmen machen“, sagt Rudolph.
Er vergleicht das Handeln mit deutschen Internatsschulen wo besser situierte Familien Zehntausende Euro für ihre Kinder zahlen, um eine gute Ausbildung und die richtige Erziehung zu bekommen.
„Ich möchte das auch den Kindern anbieten, deren Eltern wenig Geld haben, und nicht studiert haben.“
Sechs von zehn Schülern kommen aus einer Familie, die irgendeine Art von sozialer Unterstützung erhält, und sieben von zehn sprechen eine andere Sprache als Deutsch.
Besteht nicht die Gefahr, dass die strengen Regeln Kreativität töten und Kinder zum Gehorsam erziehen? 
„Selbstdisziplin lässt viele Menschen an das Militär denken. Aber es geht darum zu lernen, seine Wünsche zurückzustellen und Dinge zu tun, die nicht immer Spaß machen“, sagt er.
Die Erfahrung ist, dass Schüler, deren Eltern studiert haben, die Schule meistern können, auch wenn es Unterrichtsstörungen und Lärm gibt, während Kinder, denen es an Strukturen fehlt, oft zurückgelassen werden.
„Wie geht es Ihnen, wenn sie nicht lesen, rechnen und schreiben lernen?“, fragt er sich.
Jeden Tag ruft die Sozialpädagogin Pia Meyer Eltern an, deren Kinder gegen die Regeln verstoßen haben.
„Es scheint sehr streng zu sein, aber es funktioniert tatsächlich“, sagt sie.
In der Schule, in der sie früher gearbeitet hat, gab es überhaupt keine Regeln. Es gab immer wieder Unterrichtsstörungen, Lärm und die Schüler schwänzten - wenn sie überhaupt kamen.

„Aber es gibt einzelne Schüler, bei denen diese Methode nicht funktioniert. Oft haben sie zuhause eine schwierige Situation. Dann können wir ihnen helfen, ein paar Tage in der Woche ein Praktikum zu machen und nur ein paar Tage in die Schule zu gehen“, sagt sie.
Unter den Schülern, mit denen sie Gespräche führt, sind sowohl der Rektor als auch seine strengen Regeln überraschend beliebt.

„Es ist viel einfacher, sich auf die Schularbeit zu konzentrieren, und ich habe viel geschafft“, sagt Aimee V., die Psychologin werden möchte.
„Es ist mehr positiv als negativ. Aber ich finde das Handyverbot nicht so toll, das ist sehr streng“, sagt sie.
Mitschüler Konrad H. durfte den Schulhof säubern, nachdem während einer Unterrichtsstunde sein Handy geklingelt hatte.
  „Es war das erste und letzte Mal“, sagt er.
Bei wiederholter Nutzung des Handys wird das Telefon eingezogen und erst nach vier Wochen zurückgegeben. Michael Rudolph zeigt den Tresor im Rektorenzimmer, wo die beschlagnahmten Handys gelagert werden.
Die Box ist leer.

- Schau Mal, es funktioniert!

Lina Lund Berlin correspondent Dagens Nyheter